Kongressrückblick 2022
Der diesjährige Kongress der GLE-I vom 29. April bis 1. Mai hat sich dem Thema «Wenn’s funkt! Begegnung als heilsames Moment in Psychotherapie und Beratung» gewidmet. Angesichts des Krieges in der Ukraine erhielt das Thema eine bedrückende Aktualität, auf die durch kurzfristige Programmänderungen eingegangen wurde. Den Schwerpunkt bildete dabei die Podiumsdiskussion «Krieg statt Dialog?» zum Ende des Kongresses.
Eröffnet wurde der Kongress von Dr. med. Steffen Glathe, der eindrückliche Begegnungsmomente mit einer suizidalen Patientin schilderte und sein Ringen um eine therapeutische Beziehung in den Tiefen des menschlichen Abgrunds darstellte. Zu den neurologischen Grundlagen, sprach Prof. Dr. Joachim Bauer. In seinem Referat zu den Selbst-Systemen wurde klar, wie stark das Selbst des Menschen auch hirnphysiologisch auf bedeutsame Andere bezogen ist. Die Bedeutung des Anderen für das Selbst strich auch Dipl-Theol. Helmut Dorra in seinem Beitrag hervor, bevor Prof. Dr. Ulrike Willutzki den ersten Kongresstag mit einem Überblick über die Psychotherapeut*innenforschung abrundete und dabei unter anderem der Frage nachging, welche Merkmale gute Therapeut*innen mitbringen.
Am zweiten Kongresstag wurden theoretische und anwendungsorientierte Aspekte verknüpft. So eröffnete PD DDr. Alfried Längle mit einem Vortrag über die existenzielle Wirkung der Therapie, in dem er dazu einlud darauf zu schauen, was es jenseits von Methodik und Technik braucht, damit Psychotherapie gelingen kann. Mag.a Susanne Pointner legte in ihrem Beitrag dar, welche Vorgehensweisen in der Einzeltherapie von Menschen mit Paarkonflikten hilfreich sein können, um das Paar in der Krise wieder zu Momenten der Begegnung anzuregen. Dr. med. et lic. phil. Erika Luginbühl-Schwab erhellte in ihrem Referat das dialogische Geschehen und warf die Frage auf, was zum Gelingen oder Scheitern des therapeutischen Dialogs und der Begegnung beiträgt. Auf die bewussten und unbewussten Anteile von Kommunikation und die Kontext-Klugheit der Klient*innen verwies Dr. Gunther Schmidt zum Ende des Plenarteils am zweiten Tag.
Der gesamtgesellschaftliche Zusammenhang rückte am dritten Kongresstag in den Fokus. Dr. Christoph Kolbe zeigte in seinem Vortrag über die phänomenologische Gesprächsführung auf, wie Begegnung gestiftet und dadurch Erkenntnis ermöglicht werden kann. Über die Identitätspolitik und ihre destruktiven Gefahren sprach Prof. Dr. Heiner Keupp. Prof. Dr. Harmut Rosa erläuterte sein Verständnis eines mediopassiven Weltverhältnisses, einer Möglichkeit, sich dem Unverfügbaren zu öffnen und Neues entstehen zu lassen.
Zum Abschluss des Kongresses diskutierten die Referenten Längle, Kolbe, Keupp und Rosa unter der Leitung von Dipl-Psych. Ingo Zirks angesichts des Kriegs in der Ukraine das Scheitern des Dialogs sowie die Voraussetzungen und Bedingungen, Dialog und Annäherung (wieder) zu ermöglichen. Einen Mitschnitt der Diskussion haben wir auf unserer Webseite für Sie bereitgestellt.
Wir danken allen Hauptreferent*innen, Organisator*innen und Moderator*innen des Hauptprogramms und der Symposia, den Mitarbeitenden des Kongress-Büros und allen Teilnehmenden für ihren Beitrag zum guten Gelingen und für die positiven Denkanstöße, die wir mitnehmen durften. Einige Impressionen der drei Kongresstage im schönen Lindau haben wir auf unserer Webseite für Sie zusammengestellt.