Grussworte

GLE-KONGRESS IN BERLIN 4. Mai – 5. Mai 2024

LEBENSGESCHICHTE GESTALTEN
Biografie und Freiheit im existenzanalytischen Verständnis

Grußwort der Kongressleitung

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

die über alle biografischen Gegebenheiten hinweg bestehende Freiheit des Menschen ist ein Fixpunkt des existenzanalytischen Ansatzes. Trotz vielfältiger Einflüsse und Prägungen verstehen wir den Menschen im Sinne der Existenzphilosophie als ein ´Sein im Werden`. Mit den Widerfahrnissen umzugehen und dem Leben trotz allem eine sinnstiftende Ausrichtung zu geben, beschreibt auch, wohin wir mit unseren Klient:innen und Patient:innen unterwegs sind.

„Biografie“ war bereits 1992 der Titel eines existenzanalytischen Kongresses. Die Thematik stellt für Beratung, Therapie, Seelsorge, Pädagogik und Leadership ein Schlüsselthema dar. In den zurückliegenden Jahren haben wir unseren Ansatz stetig weiterentwickelt und auf diese Weise einen weiten Weg zurückgelegt. Mehr als 30 Jahre danach ist es uns erneut wichtig, die Frage nach dem „Wozu“ und „Wie“ biografischen Arbeitens zu stellen. Hierbei beschäftigt uns vor allem: Wie lässt sich das Verhältnis zwischen prägenden Erfahrungen und der Freiheit des und der Einzelnen beschreiben? Wieviel Spielraum hat der Mensch, und wie kann er ihn nutzen? Wann ist biografisches Arbeiten in der Existenzanalyse angezeigt? Und welchen Stellenwert hat dies innerhalb des Beratungs- und Therapieprozesses?

Dies im Dialog mit Kolleginnen und Kollegen zu bewegen sowie zu zeigen, wie in den unterschiedlichen Lebensphasen und Prozessen Selbstdistanzierung, Wachstum und Widerstandskraft erschwert aber auch ermöglicht werden, ist Gegenstand dieses Kongresses.

Wir freuen uns, dass Kollegen und Kolleginnen sowie Forschende anderer therapeutischer Schulen und Fachrichtungen mit uns der Frage nach dem Verhältnis von Biografie und Freiheit nachgehen und unser Nachdenken im „Dialog der Schulen“ mit ihren Überlegungen bereichern.
Darüber hinaus bietet der dem Kongress vorgeschaltete Präkongress eine Gelegenheit, die spezifische Art biografischen Arbeitens in der Existenzanalyse kennenzulernen.

Berlin ist außerdem immer eine Reise wert!

Wir laden Sie herzlich ein und freuen uns sehr auf Begegnungen mit Ihnen!

Gabriele Bonnacker-Prinz, Sabine Rößer

Grußwort von Prof. Dr. Eva Jaeggi,

geboren in Wien, forschte sie von 1987-2000 als Professorin für Klinische Psychologie an der TU Berlin.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

als ich im Wien der fünfziger Jahren Psychologie studierte, fand ich in unserem naturwissenschaftlich orientierten Institut mit den statistisch auszuwertenden Experimenten über das Lernen sinnloser Silben nicht das, was ich als zukünftige Psychotherapeutin erwartet hatte.
Ich hörte aber von einem gewissen Professor Frankl. Bei ihm könne man viel Interessanteres hören. Es gehe da nicht nur um höhere Säugetiere oder Reiz-Reaktionsmaschinen. Menschen wären hier Wesen, die ihrem Leben selbst Sinn geben könnten. Mir erschien dies viel wichtiger als die Gehirnentwicklung vom Wurm bis zum Menschen. Ich erfuhr, dass der Sinn nicht DA und gottgegeben sei, denn man musste ihn im je eigenen Leben finden. Damit begann auch meine Suche nach dem, was den Menschen „im Inneren zusammenhält“. Es war auch ein erster Schritt hin zu dem, was mich später vor allem beschäftigen sollte: der Vergleich verschiedener Therapieschulen und Menschenbilder.

Daher freue ich mich ganz besonders, mit diesem Kongress auch auf meine ganz persönliche Biografie zurückblicken zu können. In diesem Sinne wünsche ich uns allen erhellende Erkenntnisse, die wiederum Biografie werden.

Eva Jaeggi